Was ist der Energiecharta-Vertrag?
Der Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT) ist ein internationales Abkommen, das Mitte der 1990er Jahre entstand. Investor:innenrechte gelten für 53 Länder von Westeuropa über Zentralasien bis nach Japan, sowie die EU und die Europäische Atomgemeinschaft. Er gewährt Konzernen im Energiesektor enorme Macht, um Staaten vor internationalen Investitionsschiedsgerichten auf Milliarden Euro zu verklagen, zum Beispiel, wenn eine Regierung beschließt, neue Öl- oder Gas-Pipelines zu stoppen oder aus der Kohle auszusteigen.
Die Verhandlungen für diesen Vertrag fanden hauptsächlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies bedeutet, dass der ECT der weltweiten starken Ablehnung, welche die Investor-Staat-Streitbeilegung in den letzten zehn Jahren traf, weitgehend entgangen ist. Jetzt sind viele weitere Länder in Afrika und dem Nahen Osten, Asien und Lateinamerika im Beitrittsprozess zum Vertrag involviert, häufig ohne jegliche öffentliche Debatte.
An die EU-Kommission, das Europaparlament und die Regierungen der Mitgliedstaaten:
Steigen Sie aus dem Energiecharta-Vertrag aus und stoppen Sie seine Ausweitung auf andere Länder! Der Vertrag ermöglicht es Kohle-, Öl- und Gaskonzernen, die Energiewende zu behindern. Nehmen Sie den fossilen Energiekonzernen jetzt die Möglichkeit, dringende Klimaschutzmaßnahmen mit Hilfe des Vertrags zu blockieren.
Diese Kampagne wird getragen von über 29 Organisationen in ganz Europa, darunter Attac Deutschland, Campact, Forum Umwelt und Entwicklung, NaturFreunde Deutschland, Netzwerk Gerechter Welthandel, PowerShift e.V., Umweltinstitut München, Urgewald, Avaaz und WeMove.
Alle Informationen auf dieser Website entstammen den Berichten „One treaty to rule them all“ und „Silent Expansion – Will the world’s most dangerous investment treaty take the global south hostage?“ Allerdings wurden die meisten Daten auf dieser Website bis Oktober 2020 aktualisiert. Laden Sie sich hier den Datensatz der ECT-Fälle bis Oktober 2020 herunter.
„Der Energiecharta-Vertrag bietet Investor:innen im Energiesektor einzigartige Möglichkeiten, um ihre ausländischen Investitionen zu schützen und diesen Schutz über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit durchzusetzen.“
Anwält:innen der Kanzlei für Investitionsschiedsgerichtsbarkeit Skadden Arps Slate Meagher & Flom
Die Chronologie eines ECT-Investitionsschiedsverfahrens
Wie wurde der ECT in den ersten 20 Jahren genutzt?
Ein explosionsartiger Anstieg der Fälle
Kein anderes internationales Handels- oder Investitionsabkommen weltweit hat mehr Investitionsklagen gegen Staaten verursacht als der Energiecharta-Vertrag. Im Januar 2021 listete das ECT-Sekretariat insgesamt 135 Konzernklagen auf. Und die Zahl der Klagen stieg in den letzten Jahren explosionsartig an. Während in den ersten 10 Jahren des Abkommens (1998-2007) nur 19 Fälle registriert wurden, sind aus dem letzten Jahrzehnt (2010-2019) 102 Investor:innenklagen bekannt, was einen Anstieg der eingereichten Fälle um 437 % bedeutet. Dieser Trend wird sich wahrscheinlich fortsetzen.
Staaten unter Beschuss – Ein juristischer Albtraum für Ost und West
Während in den ersten 15 Jahren des Abkommens 89 % der ECT-Klagen Staaten in Mittel- und Osteuropa und Zentralasien trafen, richteten 62 % der zwischen 2013 und 2020 eingereichten Investor:innenklagen gegen Länder in Westeuropa.
„Investitionsverträge wurden entwickelt, um europäische Investitionen im Ausland zu schützen. Doch jetzt sind sie zurück, um in Europa zuzuschlagen.“
Anwält:in für Schiedsgerichtsbarkeit Mahnaz Malik
Die Investor:innen klagen – Westeuropäische Unternehmen kassieren ab
In den Niederlanden, Deutschland, Luxemburg, dem Vereinigten Königreich und Zypern registrierte Unternehmen und Einzelpersonen machen 58 % der 171 Investor:innen aus, die bis Ende 2019 an bekannten Klagen beteiligt waren.
Der ECT – eine mächtige Waffe für Briefkastenfirmen
Dank der übermäßig weit gefassten Definition von „Investor:in“ und „Investition“ im ECT sind viele im Rahmen des ECT klagende Unternehmen Briefkastenfirmen (Firmen mit sehr wenigen Angestellten in diesen Ländern, die aber von großen Konzernen genutzt werden, um Gewinne zu verschieben und Steuern zu vermeiden).
Ganze 24 von 25 vermeintlich „niederländischen“ Investor:innen, die bis Ende 2020 ECT-Klagen führten, sind solche Briefkastenfirmen. Dazu zählen Khan Netherlands (vom kanadischen Bergbauunternehmen Khan Resources genutzt, um die Mongolei zu verklagen, obwohl Kanada nicht einmal ECT-Mitglied ist), sowie Isolux Infrastructure Netherlands und Charanne (beide wurden von den spanischen Geschäftsmännern Luis Delso und José Gomis, zwei der reichsten Menschen Spaniens, genutzt, um Spanien zu verklagen).
ECT-Missbrauch durch Briefkastenfirmen
24 von 25 ECT-Klagen, die von angeblich „niederländischen“ Investor:innen eingereicht wurden, stammen von reinen Briefkastenfirmen.
„Den ECT haben ‚Treaty-Shopper‘ schon seit einiger Zeit auf dem Schirm.“
Anwalt für Schiedsgerichtsbarkeit Paul M. Blyschak
Der ECT wird zunehmend von spekulativen Finanzinvestor:innen wie Portfolio-Investor:innen und Holding-Unternehmen genutzt. In 85 Prozent der bis 2020 wegen Kürzungen von Förderprogrammen für erneuerbare Energien in Spanien eingereichten Klagen sind die Kläger:innen gar keine Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien, sondern Aktienfonds oder andere Arten von Finanzinvestor:innen, die häufig Verbindungen zur Kohle-, Öl-, Gas- und Atomindustrie haben. Einige der Fonds investierten erst, als sich Spanien bereits in einer tiefen Wirtschaftskrise befand und bereits einige Änderungen an den Förderprogrammen vorgenommen worden waren (die, wie die Fonds später behaupteten, ihre Gewinnerwartungen schwächten). Einige Investor:innen betrachten den ECT nicht nur als Absicherung, sondern als zusätzliche Einnahmequelle.
ECT-Klagen werden von Finanzinvestor:innen dominiert
Investor:innen gewinnen die Mehrheit der Fälle
Bis Oktober 2020 waren 39 % der bekannten ECT-Fälle noch ohne Urteil. Doch die Mehrheit (60 %) der entschiedenen Klagen gingen zugunsten der Investor:innen aus.
Für Staaten und Steuerzahler:innen steht immer mehr Geld auf dem Spiel
In 15 ECT-Klagen haben Investor:innen – meist große Konzerne oder sehr vermögende Einzelpersonen – auf 1 Milliarde US-Dollar oder mehr Schadensersatz geklagt.
„Hier steht das Geld der Öffentlichkeit auf dem Spiel … Dafür bezahlt kein Großkonzern … oder irgendjemand, der es sich leisten könnte. Nein, es zahlt der arme Mann auf der Straße.“
Anwalt für Schiedsgerichtsbarkeit
Anhängige ECT-Fälle Ende 2020
Klagen, die von den Investor:innen immer noch gewonnen werden könnten, haben einen summierten Geldwert von 28 Milliarden US-Dollar (Informationen sind nur für die Hälfte der anhängigen Fälle verfügbar). Die schwindelerregend hohen Preisschilder von ECT-Klagen zeigen ihre potenziell katastrophalen Folgen für die öffentlichen Haushalte.
Regierungen wurden dazu verurteilt oder haben zugestimmt, mehr als 52 Milliarden US-Dollar Schadensersatz aus öffentlichen Mitteln zu zahlen
Zu den teuersten Klagen in der Geschichte von ISDS gehören ECT-Fälle wie die Klage von Vattenfall gegen Deutschland wegen seines Atomausstiegs in Höhe von über 5,1 Milliarden US-Dollar.
Die Mehrheit der ECT-Fälle sind Streitigkeiten innerhalb der EU, in denen EU-Gerichte umgangen werden
66 Prozent der ECT-Investor:innenklagen wurden von Investor:innen aus einem EU-Mitgliedstaat gegen die Regierung eines anderen Mitgliedstaats vorgebracht, und es wurden hohe Summen öffentlicher Gelder eingefordert, die ihnen nach dem EU-Rechtssystem nachweislich nicht zustehen würden. Im März 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass EU-interne Investor-Staat-Verfahren im Rahmen bilateraler Investitionsverträge gegen EU-Recht verstoßen, da sie EU-Gerichte umgehen – ein Argument, das auch für den ECT gelten könnte.
Fast die Hälfte aller bekannten EU-internen Investitionsstreitigkeiten wurden auf der Grundlage des ECT eingeleitet (die anderen basieren auf bilateralen Verträgen).
„Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) ist der mit Abstand am häufigsten angeführte Investitionsvertrag in den intra-EU-Beziehungen.“
Anwält:in von der Anwaltskanzlei Stibbe
Wie Konzerne mit dem Energiecharta-Vertrag die Energiewende stoppen können
Bester Freund der fossilen Energiebranche
Der ECT ist ein mächtiges Werkzeug in den Händen der großen Öl-, Gas- und Kohlekonzerne, um Regierungen von der Umstellung auf saubere Energie abzuhalten. Sie haben den ECT und andere Investitionsabkommen genutzt, um gegen Ölbohrverbote, die Ablehnung von Pipelines, Steuern auf fossile Brennstoffe und Moratorien für und Ausstieg aus umstrittenen Energiearten vorzugehen. Konzerne haben den ECT auch genutzt, um Entscheidungsträger:innen durch Einschüchterungen fügsam zu machen. Vattenfalls 1,4 Milliarden Euro schwerer juristischer Angriff auf die Umweltstandards für ein Kohlekraftwerk in Deutschland zwang die lokale Regierung, die Vorschriften zu lockern, um den Fall beizulegen.
Mit dem ECT können Regierungen angegriffen werden, die die Energiearmut verringern und Strom erschwinglich machen wollen.
Im Rahmen des ECT wurden Bulgarien und Ungarn bereits auf Entschädigungen in dreistelliger Millionenhöhe verklagt, unter anderem weil sie die Gewinne der großen Energiekonzerne beschränkten und auf niedrige Strompreise drängten. Investitionsanwält:innen zogen eine ähnliche Klage gegen das Vereinigte Königreich in Betracht, als die Regierung eine Deckelung der Energiepreise ankündigte, um Abzockerrechnungen ein Ende zu setzen.
„Öffentliche Gelder sollten verwendet werden, um den Umstieg auf saubere Energie zu unterstützen, und nicht, um Umweltsünder:innen für ihre entgangenen zukünftigen Einnahmen zu entschädigen, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht rechtzeitig und verantwortungsvoll angepasst haben.“
Professor Gus van Harten, Osgoode Hall Law School
Der ECT wird derzeit als Lösung für die Erderwärmung dargestellt. Dabei ist der Vertrag keineswegs ein Unterstützer von kleinen Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien auf.
Ein Paradebeispiel dafür sind die zahlreichen Fälle, die Kürzungen der Förderung für erneuerbare Energien in Spanien angefochten haben. An fast die Hälfte der bekannten ECT-Klagen gegen das Land (22 von 47) sind Investor:innen mit Verbindungen zur Gas-, Kohle-, Öl- und Atomindustrie beteiligt.
Die schmutzigen Geheimnisse der „Erneuerbare-Energien-Klagen“ gegen Spanien.
„Die Energiewende von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien wird von Staaten und staatlichen Stellen fordern, bestehende Lizenz- und Konzessionsvereinbarungen sowie Production Sharing Agreements zu überdenken und möglicherweise neu auszurichten, was zu Klagen von Investor:innen führt.“
Zeitschrift Global Arbitration Review
Welche Länder stehen kurz davor, dem ECT beizutreten, und wer drängt auf die Expansion des Vertrages?
Viele Länder weltweit stehen kurz vor dem Beitritt zum ECT, der sie an eine konzernfreundliche Energiepolitik zu binden droht. Burundi, Eswatini (ehemals Swasiland) und Mauretanien sind im Beitrittsprozess am weitesten fortgeschritten (interne Ratifizierung des ECT). Als nächstes ist Pakistan an der Reihe (wo die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit umstritten ist, das aber bereits eingeladen wurde, dem ECT beizutreten), gefolgt von Uganda (das auf die Einladung zum Beitritt wartet). Eine Reihe von Ländern befindet sich in unterschiedlichen Stadien der Vorbereitung ihrer Beitrittsberichte (Benin, Serbien, Marokko, Tschad, China, Bangladesch, Kambodscha, Niger, Gambia, Nigeria, Panama und Senegal). Viele weitere Länder haben die unverbindliche politische Erklärung zur Internationalen Energiecharta unterzeichnet, die als erster Schritt zum Beitritt zum rechtlich verbindlichen Energiecharta-Vertrag gilt.
Hören Sie hier einen von CEO, SEATINI und TNI koproduzierten Podcast mit Pia Eberhardt, Faith Lumonya und Cecilia Olivet, die über die Gefahren der ECT-Expansion diskutieren (auf Englisch).
In den potenziellen neuen Unterzeichnerstaaten des ECT herrscht ein alarmierender Mangel an Bewusstsein über die politischen und finanziellen Risiken des ECT.
Mitarbeiter:innen aus Ministerien mit Erfahrung in der Verhandlung von Investitionsverträgen und der Verteidigung von Investor-Staat-Schiedsverfahren sind in dem Prozess, der von Energieministerien angeführt wird, weitgehend abwesend. Dies ist besorgniserregend, da viele dieser Länder bereits katastrophale Erfahrungen mit Investor:innenklagen im Rahmen anderer Investitionsabkommen gemacht haben. Diese könnten noch zahlreicher werden, wenn sie den ECT unterzeichnen. Das erinnert an die 1990er Jahre, als die Entwicklungsländer in der Hoffnung auf Investitionen haufenweise bilaterale Investitionsverträge unterzeichneten, weitgehend ohne sich der Risiken bewusst zu sein.
„Das Energiecharta-Sekretariat befindet sich im Expansionsmodus und möchte für seine derzeitigen – meist entwickelten – Mitgliedsländer Zugang zu Energieressourcen in Afrika und Asien erlangen.“
Nathalie Bernasconi-Osterwalder, International Institute for Sustainable Development (IISD)
Der Expansionsprozess wird vom ECT-Sekretariat, der EU und der Schiedsgerichtsbranche aggressiv vorangetrieben.
Diese sind darauf erpicht, Zugang zu den reichen Energieressourcen im globalen Süden zu erhalten und ihre eigenen Macht- und Gewinnmöglichkeiten zu erweitern. Während sie die Risiken, die ein ECT-Beitritt für die Staaten mit sich bringt, herunterspielen oder abtun, werben sie für das Abkommen als notwendige Bedingung für die Anziehung ausländischer Investitionen, insbesondere von Investitionen in saubere Energie für alle. Es gibt derzeit aber keinerlei Beweise dafür, dass das Abkommen zur Verringerung der Energiearmut und zur Erleichterung von Investitionen, geschweige denn von Investitionen in erneuerbare Energien, beiträgt.
ECT-Beitrittsrisiken
Eine Welle teurer Klagen – auf Jahrzehnte
Bis heute hat kein Handels- und Investitionsabkommen mehr Investitionsklagen gegen Staaten verursacht als der ECT. Bis Januar 2021 wurden insgesamt 136 ECT-Investor:innenklagen auf der Website des ECT-Sekretariats gelistet. Sowohl die Zahl der Fälle als auch die Summen, die für die öffentlichen Haushalte und Steuerzahler:innen auf dem Spiel stehen, steigen.
Reformen rückgängig machen mit einem bissigen alten Vertrag
Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) hat vor ECT-ähnlichen Investitionsverträgen „der alten Generation“ gewarnt, die keine ‚harmlosen‘ politischen Erklärungen, sondern ‚bissig‘ sind“. Auch die EU hat kürzlich erklärt, dass der ECT „veraltet (ist), und Bestimmungen nicht länger tragbar oder für die aktuellen Herausforderungen angemessen“ sind. Bemerkenswerterweise scheinen mehrere Länder, die ihre bestehenden Investitionsverträge aus Sorge um den Erhalt ihres politischen Spielraums kündigen oder reformieren, immer noch bereit zu sein, diese Reformen durch die Unterzeichnung des ECT zu untergraben. Tansania und Uganda haben zum Beispiel beide damit begonnen, alte Investitionsverträge wie mit den Niederlanden zu kündigen, die als „einseitig“ kritisiert worden waren. Außerdem haben Nigeria und Marokko einen Investitionsvertrag miteinander unterzeichnet, der sich deutlich vom ECT unterscheidet. Während also viele Länder die Gefahren in Verbindung mit einem übermächtigen System von Investor:innenrechten erkennen und Verpflichtungen aus früheren Investitionsverträgen zurücknehmen, scheinen sie die Gefahren des ECT noch nicht im Blick zu haben.
Vorantreiben der Klimakrise durch Festhalten an fossilen Brennstoffen
Klimawissenschaftler:innen sind sich einig, dass drei Viertel der weltweit verbleibenden fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl und Gas) im Boden bleiben müssen, wenn wir keine gefährliche, unkontrollierbare Erderwärmung verursachen wollen. Doch Regierungen, die schmutzige Kraftwerke oder Bohrinseln stoppen, könnten im Rahmen des ECT für Entschädigungen in Millionen-, wenn nicht gar Milliardenhöhe haftbar gemacht werden. Mit dem Vertrag kann auch erheblicher Druck auf Regierungen ausgeübt werden, um neue Projekte zuzulassen, die den Klimawandel beschleunigen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter verfestigen würden. Diese Gefahr wird anhand mehrerer bestehender Fälle deutlich, wie zum Beispiel Rockhoppers laufende juristische Anfechtung des italienischen Verbots neuer Offshore-Ölbohrprojekte sowie die Androhung von ECT-Rechtsstreitigkeiten gegen Gesetze zur Beendigung der Förderung von fossilen Brennstoffen (in Frankreich) und zum Verbot des Einsatzes von Kohle zur Stromerzeugung (in den Niederlanden).
Gescheiterte Energieprivatisierungen absichern
In vielen Teilen der Welt machen Gemeinden und Regierungen gescheiterte Privatisierungen rückgängig und nehmen Energieversorgungssysteme wieder in die öffentliche Hand. Solche Privatisierungen im Energiesektor haben häufig zu höheren Preisen für die Verbraucher:innen, schlechterem Service, Unterinvestition in die Infrastruktur, Entlassungen von Arbeiter:innen und schärferen Arbeitsbedingungen – und vielem mehr – geführt. Doch Energieprivatisierungen rückgängig zu machen, kann Investor-Staat-Klagen mit möglichen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe nach sich ziehen. Dies geschah zum Beispiel in Albanien, nachdem es dem tschechischen Energieriesen ČEZ die Stromversorgungslizenz entzogen hatte. Auch als die oppositionelle britische Labour-Partei 2019 plante, die Energiebranche wieder unter öffentliche Kontrolle zu bringen, sagten Anwält:innen für Schiedsgerichtsbarkeit eine „Flut von Klagen“ im Rahmen des ECT und anderen Investitionsabkommen voraus.
Untergrabung der Bemühungen um erschwinglichen Strom für alle
Energiearmut ist auf der ganzen Welt eine Realität. Man schätzt, dass in Afrika 600 Millionen Menschen immer noch keinen Zugang zu Strom haben. Ein Schlüssel zur Lösung dieses Problems ist die Fähigkeit der Regierungen, Strompreise zu regulieren und bei Bedarf zu deckeln. Doch der ECT könnte auch dazu genutzt werden, Regierungsmaßnahmen zur Verringerung der Energiearmut zu untergraben. Mehrere osteuropäische Länder wurden im Rahmen des ECT bereits verklagt, weil sie Schritte unternahmen, um die Gewinne von großen Energieunternehmen zu beschränken und die Strompreise für die Verbraucher:innen zu senken. Im Vereinigten Königreich sagten Investitionsanwält:innen „mehr regulatorische Streitigkeiten“ im Rahmen des ECT voraus, als die ehemalige konservative Regierung unter Theresa May eine Deckelung der Energiepreise für Verbraucher:innen ankündigte.
Einschränkung der Souveränität über Energieressourcen
Viele Länder und Regionen auf dem Weg zum ECT-Beitritt sind bedeutende Erzeuger:innen fossiler Brennstoffe und/oder stehen kurz davor, die Produktion um ein Vielfaches zu steigern: China ist der größte Kohleproduzent sowie der fünftgrößte Ölproduzent der Welt; Nigeria ist Afrikas größter Öl- und Gasproduzent; sowohl Bangladesch als auch Pakistan bauen neue Kohlekraftwerke, die ihre Stromerzeugungskapazität aus Kohle voraussichtlich verdreifachen werden; die Ostafrikanische Gemeinschaft wirbt aktiv für Investitionen in fossile Brennstoffe mit dem Ziel, das „Erdölpotenzial der Partnerstaaten voll zu entwickeln“. Der ECT würde die Macht ausländischer Energieinvestor:innen in diesen und anderen Beitrittsländern erheblich stärken, was nicht nur das Risiko birgt, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu festigen und die Klimakrise weiter voranzutreiben, sondern auch den politischen Spielraum der Länder einzuschränken. Im Rahmen des ECT können große Energieunternehmen Regierungen verklagen, wenn diese zum Beispiel beschließen, unerwartete Gewinne zu besteuern, Unternehmen zur Beschäftigung von lokalen Arbeiter:innen, zum Transfer von Technologie oder zur Verarbeitung von Rohstoffen vor dem Export zu zwingen.
Leere Versprechen des ECT
Der ECT wird die Energiearmut nicht lösen
Viele Länder hoffen, dass sie durch den ECT-Beitritt Investitionen anlocken, um die Energiearmut zu beenden. Diese Hoffnung wird vom Sekretariat und anderen ECT-Befürworter:innen genährt, die immer wieder beteuern, dass „der Vertrag das Potenzial … (hat), ausländische Investitionen in den Energiesektor anzuziehen“, um „die Energiearmut zu beseitigen“. Ein PR-Text über Afrika und den ECT suggeriert: „Vielleicht ist der Energiecharta-Vertrag der Schlüssel zur Erschließung des Investitionspotenzials in Afrika, um den universellen Zugang zu Energie zu gewährleisten und die Energiearmut zu überwinden.“
Die ECT-Investitionsregeln halten jedoch nicht, was sie versprechen: Wie bei anderen ähnlichen Abkommen gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass er tatsächlich Investitionen fördert.
Der ECT wird die Energiewende nicht voranbringen
Befürworter:innen des ECT – und von ISDS ganz allgemein – behaupten manchmal, dass Investitionsverträge wirksame Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels seien. Sie behaupten, dass der ECT durch die Verringerung von Investitionsrisiken dazu beitrage, Kapital in saubere Energien anzuziehen, und dass sein ISDS-Durchsetzungsmechanismus eine Möglichkeit sei, starken Druck auf Staaten auszuüben, damit sie ihre Klimaversprechen halten, wie in Fällen, in denen Investor:innen Länder verklagt haben, weil diese die Förderung für erneuerbare Energieprojekte gekürzt hatten. Es gibt jedoch keinerlei Belege dafür, dass sich der ECT tatsächlich positiv auf die Investitionsströme in irgendeinem Sektor auswirkt, auch nicht in saubere Energie. Das Abkommen schreckt weder von klimaschädlichen Öl-, Gas- und Kohleinvestitionen ab, noch fördert es eine Wende hin zu wirklich erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne.
Noch wichtiger ist, dass der ECT eine Wende weg von fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien nicht nur nicht erleichtern, sondern auch aktiv behindern könnte. Nach Angaben einer ehemaligen Mitarbeiterin des ECT-Sekretariats machten „Investitionen in fossile Brennstoffe mindestens 61 % der gesamten durch den ECT geschützten Investitionen aus“.
Die ECT-Modernisierung wird die Probleme nicht lösen
Im Jahr 2017 begannen die ECT-Mitgliedstaaten mit einer Bewertung „der potenziellen Notwendigkeit und/oder Nützlichkeit einer Aktualisierung, Klarstellung oder Modernisierung“ der Investor:innenrechte des Abkommens und einigten sich im November 2018 auf eine Liste von Themen, die zur Diskussion stehen. ECT-Befürworter:innen wie die Europäische Kommission argumentieren, dass dies das Abkommen klimafreundlich macht und kostspielige Klagen gegen legitime Regulierungen unwahrscheinlicher werden.
Die Modernisierungsabsicht hält allerdings nicht, was sie verspricht. Wichtige Reformoptionen fehlen auf der Liste der zu diskutierenden Themenwie der Ausschluss von ISDS. Dies würde Umweltsünder:innen daran hindern, Klimaschutzmaßnahmen von Staaten außerhalb ihrer Rechtssysteme anzufechten, was das Risiko eines abschreckenden Effekts auf Klimaschutzmaßnahmen beschränkt. Zudem soll der Vertrag auf neue Energieträger wie Wasserstoff und Biomasse ausgeweitet werden, was neue Klagen nach sich ziehen könnte.
Jede Vertragsänderung würde ein einstimmiges Votum der ECT-Mitglieder erfordern, und Länder wie Japan haben bereits erklärt, dass sie keine Notwendigkeit für Änderungen sehen. Aus diesem Grund hält es selbst die Europäische Kommission für „nicht realistisch“, dass der ECT tatsächlich geändert wird, und immer mehr Expert:innen und eine große Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen plädieren für einen vollständigen Rückzug aus dem Vertrag.
„Energieinvestitionen würden natürlich auch stattfinden, wenn es den Vertrag nicht gäbe.“
Howard Chase, Vorsitzender des Energiecharta-Unternehmensbeirats
Wer profitiert vom ECT?
Eine kleine Zahl an Schiedsrichter:innen dominiert die ECT-Entscheidungsfindung
Bis Ende 2017 hatte in 44 Prozent aller ECT-Fälle eine Gruppe von 25 Schiedsrichter:innen die Entscheidungsfindung übernommen, während zwei Drittel auch in anderen Investitionsvertragsstreitigkeiten als Anwält:innen für eine der Streitparteien tätig waren. Dass dieselben Personen in verschiedenen Fällen als Schiedsrichter:innen und Anwält:innen fungieren, ruft wachsende Besorgnis über Interessenkonflikte hervor, insbesondere da diese kleine Gruppe von Anwält:innen den ECT äußerst konzernfreundlich ausgelegt haben, was den Weg für zukünftige, noch teurere Klagen gegen Staaten ebnet.
Einige der meistbeschäftigten ECT-Schiedsrichter mit einer Erfolgsbilanz auf der Seite der Konzerne
Fünf Elitekanzleien waren an fast der Hälfte aller bekannten Investor:innenklagen beteiligt
Anwaltskanzleien haben den Anstieg der ECT-Fälle maßgeblich vorangetrieben, indem sie bei ihren Firmenkund:innen unermüdlich für die umfangreichen Klagemöglichkeiten des Abkommens warben und sie ermutigten, Länder zu verklagen.
Die 10 meistbeschäftigten Kanzleien in bekannten ECT-Fällen
Prozessfinanzierer:innen setzen sich in ECT-Schiedsverfahren immer mehr durch.
Diese Investmentfonds finanzieren die Prozesskosten in Investor-Staat-Streitigkeiten im Gegenzug für eine Beteiligung an der zugesprochenen Entschädigungssumme oder Vergleich. Dies wird den Boom der Schiedsgerichtsverfahren wahrscheinlich weiter anheizen, die Kosten für klamme Regierungen erhöhen und sie eher dazu bringen, den Konzernforderungen nachzugeben.
„Die Finanzierung durch Drittmittel ist international kaum reguliert. Die Identität von Prozessfinanzierer:innen ist selten öffentlich zugänglich und wird manchmal sogar den verklagten Ländern vorenthalten.“
Trade Justice Movement UK
Den Umweltsünder:innen die Zügel in die Hand geben
Das Sekretariat hat enge Verbindungen zu Energieunternehmen und gewinnorientierten Anwält:innen, die Geld verdienen, wenn Investor:innen Staaten im Rahmen des ECT verklagen. Dies wird durch die Beratungsgremien, die das Sekretariat eingerichtet hat, eindrucksvoll illustriert: den Unternehmensbeirat und die rechtsberatende Taskforce.
Zwei Drittel der Anwält:innen der rechtsberatenden Taskforce des ECT sind finanziell an Investor:innenklagen gegen Staaten beteiligt.
Mitglieder der rechtsberatenden Taskforce des ECT
Beide Beratungsgremien erhalten reichlich Gelegenheit, das Sekretariat, die ECT-Mitgliedstaaten und den breiteren Charta-Prozess in ihrem eigenen Interesse zu beeinflussen. Mehrere hochrangige Beamt:innen des ECT-Sekretariats waren vor und/oder nach ihrer Tätigkeit im Sekretariat bei Schiedsrechtskanzleien beschäftigt.
Symbolträchtige ECT-Fälle
ECT-Modernisierung
Der ECT-Modernisierungsprozess ist zum Scheitern verurteilt; der Austritt ist die einzige Option
Die Zeit läuft beim Klimawandel, doch die ECT-Parteien vergeuden ihre Zeit mit potenziell endlosen Verhandlungen zur „Modernisierung“ des gefährlichen Abkommens. Im November 2018 einigte man sich auf eine Liste mit Themen für die Modernisierungsverhandlungen. Die Verhandlungen sind nun im Gange, und die Europäische Kommission hat zugegeben, dass es kaum Fortschritte gibt.
Die Themenliste für die Modernisierungsgespräche hält nicht das Versprechen, den ECT klimafreundlich zu gestalten. Zwei der naheliegendsten und effektivsten Reformoptionen sind nur unzureichend aufgegriffen oder fehlen ganz in der Liste der zu diskutierenden Themen: erstens der Ausschluss von CO2-intensiven Energieinvestitionen aus dem Anwendungsbereich des ECT wird zwar von der EU vorgeschlagen, aber mit viel zu langen Fristen, die noch Klagen von fossilen Investor:innen bis weit in die 2030er Jahre ermöglichen würden. Zweitens wird der Ausschluss der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) nicht einmal diskutiert. Beide Optionen würden Umweltsünder:innen daran hindern, Klimaschutzmaßnahmen von Staaten außerhalb ihrer nationalen Rechtssysteme anzufechten, was das Risiko eines abschreckenden Effekts auf Klimaschutzmaßnahmen beschränkt.
Kosmetische Änderungen, wie sie die Europäische Kommission vorschlägt, werden ECT-Klagen gegen Klimaschutzmaßnahmen nicht verhindern. Der EU-Vorschlag zur Modernisierung des ECT enthält zwar wohlklingende Formulierungen zum „Recht auf Regulierung“ der Staaten und zum Pariser Abkommen, doch werden sie Klimaschutzmaßnahmen nicht vor ISDS-Anfechtungen schützen. Wie die Umweltrechtsgruppe ClientEarth erörtert: „Der ECT hätte, selbst wenn er gemäß dem Vorschlag der Kommission überarbeitet würde, weiterhin eine gefährliche abschreckende Wirkung bei der ökologischen und sozialen Regulierung. Die Branche der fossilen Brennstoffe muss nicht mit juristischen Argumenten gewinnen. Die Androhung oder Einleitung einer ISDS-Klage kann ausreichen, um politische Maßnahmen selbst über Grenzen hinweg zu verzögern oder zu untergraben, unabhängig vom Ausgang des Schiedsverfahrens.“
„Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Vertragsparteien darauf einigen, den Vertrag an das Pariser Klimaabkommen anzupassen.“
Masami Nakata, ehemalige Assistentin des ECT-Generalsekretärs, über die ECT-Modernisierung
Ein überarbeiteter ECT wird vielleicht nie das Licht der Welt erblicken: Die Mitglieder haben gegensätzliche Interessen, und jede Änderung erfordert Einstimmigkeit. ECT-Parteien wie Japan haben bereits erklärt, dass sie keine Notwendigkeit für Änderungen sehen. Ein interner Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 hielt es bereits für „nicht realistisch“, dass der ECT wirklich geändert wird. Wie es die Energieexpertin Yamina Saheb, eine ehemalige Mitarbeiterin des ECT-Sekretariats, im Februar 2020 in einem vernichtenden Bericht über die ECT-Modernisierung ausdrückte:
“„Die möglichen Ergebnisse einer Modernisierung des ECT sind, wenn überhaupt, eher marginal im Vergleich zu den Herausforderungen, die in den mehr als zwei Jahrzehnten des Bestehens des ECT entstanden sind … Daher ist der Austritt aus dem ECT die einzige verbleibende Option.“
Die Zivilgesellschaft fordert die Staaten auf, zur Klimakonferenz COP 26 in Glasgow aus dem ECT auszutreten. Anstatt Zeit und Mühe auf einen Vorgang zu verschwenden, der den ECT nicht verbessern und wahrscheinlich keinen Erfolg haben wird, müssen wir uns auf die wirklichen Mängel konzentrieren.. Der ECT hat keine Chance, mit dem Pariser Abkommen vereinbar zu sein, es sei denn, dass er mindestens:
1- Fossile Brennstoffe von jeglichem vertraglichen Schutz ausschließt;
2- die Bestimmungen zur Investor-Staat-Streitbeilegung aus dem Abkommen entfernt. Diese Optionen werden nicht ernsthaft oder gar nicht in Erwägung gezogen. Deshalb bleibt ein Ausstieg aus dem Vertrag die einzig realistische Lösung.
Gründe, aus dem ECT auszutreten oder ihm nie beizutreten
Nach über 20 Jahren Anwendung des ECT ist klar, dass die Gefahren seiner Sonderrechte für ausländische Investor:innen die potenziellen Vorteile überwiegen, die sich die Staaten von der Unterzeichnung des Abkommens womöglich versprochen haben. Zusammengefasst sind hier acht wichtige Gründe, aus dem ECT auszutreten – oder ihm nie beizutreten.
Grund #1: Der ECT ist ein Werkzeug für Großkonzerne, um Regierungen zur Kasse zu bitten, wenn sie mit Regulierungen den Klimawandel bekämpfen, Energie erschwinglich machen und andere öffentliche Interessen schützen wollen. Er wurde genutzt, um Umweltauflagen für schmutzige Kraftwerke, Verbote für neue klimaschädliche Projekte im Bereich fossile Brennstoffe, Kürzungen steigender Strompreise und Korrekturen für gescheiterte Energieprivatisierungen anzugreifen – und vieles mehr
Grund #2: Im Rahmen des ECT können Regierungen dazu gezwungen werden, Milliarden an Steuergeldern auszuzahlen, um Konzerne auch für entgangene zukünftige Gewinne, die sie theoretisch hätten erwirtschaften können, zu entschädigen. Der Wert der Ende 2020 anhängigen ECT-Klagen – 28 Milliarden US-Dollar – übersteigt das BIP vieler Länder und die geschätzten jährlichen Kosten, die der gesamte afrikanischen Kontinent bräuchte, um sich an den Klimawandel anzupassen. Aufgrund der Intransparenz der ECT-Schiedsverfahren ist die tatsächliche Summe wahrscheinlich viel höher.
Grund #3: Der ECT ist ein Mittel, um die Demokratie zu untergraben und die Entscheidungsträger:innen einzuschüchtern, indem er als Bremse für wünschenswerte politische Entscheidungen fungiert. Dies ist besonders besorgniserregend in Hinblick auf die schnell notwendige Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien, die mutige Regulierungen durch die Regierungen erfordert und die Profite einiger der weltweit größten Öl-, Gas- und Kohlekonzerne schmälern wird.
Grund #4: IDie Investor-Staat-Schiedsverfahren im Rahmen des ECT weisen große Mängel auf. Sie sind nicht fair und unabhängig, sondern werden von einer eigennützigen, millionenschweren Industrie aus Elitekanzleien, Schiedsrichter:innen und spekulativen Fonds beherrscht. Auf Kosten von Staaten und Steuerzahler:innen haben sie ihre Macht eingesetzt, um extrem konzernfreundliche Auslegungen des ECT und einen stetigen Strom von kostspieligen Klagen zu sichern.
Grund #5: Die Investor:innenprivilegien des ECT bringen nicht die behaupteten wirtschaftlichen Vorteile. Es gibt derzeit keinerlei Beweise dafür, dass das Abkommen zur Verringerung der Energiearmut und zur Erleichterung von Investitionen, geschweige denn zu Investitionen in erneuerbare Energien, beiträgt. Der ECT kann sogar dazu verwendet werden, die Energiewende und Maßnahmen zur Gewährleistung eines erschwinglichen Zugangs zu Strom für alle zu untergraben.
Grund #6: Die Regeln für die Beilegung von Investor:innenstreitigkeiten im Rahmen des ECT untergraben die inländischen Rechtssysteme und stehen im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit, da sie diskriminierend sind und einen exklusiven Rechtsweg nur für ausländische Investor:innen darstellen. Nach einem kürzlich ergangenen Urteil des höchsten EU-Gerichts ist es fraglich, ob die Investor:innenprivilegien des ECT überhaupt mit EU-Recht vereinbar sind.
Grund #7: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der 2017 begonnene ECT-Modernisierungsprozess die grundlegenden Mängel des parallelen Rechtssystems des Abkommens für Konzerne ändern wird. Selbst kleinere Reformen, wie ein geringeres Maß an Verschwiegenheit bei Investor:innenklagen, scheinen innerhalb der ECT-Mitgliedschaft umstritten zu sein.
Grund #8: Aufgrund seiner großen geografischen Reichweite und der nahezu unbegrenzten Rechte, die er Investor:innen im Energiesektor einräumt, ist der ECT wohl gefährlicher für die öffentlichen Kassen, die Politik des öffentlichen Interesses und die Demokratie als andere internationale Investitionsverträge. Weltweit hat kein anderes Abkommen zur mehr Angriffen von Investor:innen gegen Staaten geführt als der ECT.
Alle Informationen auf dieser Website entstammen dem Bericht “One Treaty to rule them all: The ever-expanding Energy Charter Treaty and the power it gives corporations to halt the energy transition” und dem Bericht “Silent Expansion – Will the world’s most dangerous investment treaty take the global south hostage?. Laden Sie hier die ECT-Falldatenbank bis Oktober 2020 herunter.
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PowerShift ist eine deutsche Nichtregierungsorganisation. Unser Ziel ist eine ökologisch und sozial gerechtere Weltwirtschaft. Dafür setzen wir unsere Expertise in Handels‐, Rohstoff‐ und Klimapolitik ein und schmieden starke Bündnisse – mit anderen Organisationen, sozialen Bewegungen und Bürger*innen.
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